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Schokolade als künstlerischer Werkstoff
oder wie man lernt die Kunst zu Genießen

Pressetext Schokoladenmuseum Köln

Schokolade als Werkstoff für ihre Malerei hat Versa Dogic in den Bann gezogen. Denn für Schokolade gelten eigene Gesetze: Sie schmilzt schnell, sie lässt sich nur in einem bestimmten Temperaturbereich besonders gut verarbeiten und sie ist sehr kälte-, licht- sowie feuchtigkeitsempfindlich. Ein weiteres wichtiges Merkmal der Schokolade ist, dass sich ihre Konsistenz während der Verarbeitung permanent verändert. Versa Dogic nutzt dieses handwerkliche Wissen um der Schokolade eine künstlerische Dimension zu geben.
Wichtig ist ihr zudem, dass der Schokolade bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. So verbinden viele Menschen mit dem Verzehr von Schokolade Genuss, Unschuld und Sinnlichkeit. Ein weiterer Charakter der Schokolade ist für die Künstlerin von wesentlicher Bedeutung. Bei Schokolade handelt es sich um ein unbeständiges, leicht vergängliches Material, welches nicht für die Ewigkeit steht, aber gegessen werden kann.
So findet man als Grundtenor in den Malereien von Versa Dogic immer zwei prägenden Eigenschaften der Schokolade wieder: der Genuss und die Vergänglichkeit.

 

Ikonen-Verehrung als orales Ritual
oder Die Residuen des Kannibalismus

Über die Schokoladen-Portraits von Versa Dogic.

Von Fotini Ladaki

Mit einer Reihe von Portraits von Philosophen, Dichtern und bildenden Künstler scheint Versa Dogic, (Konditormeisterin, Schokoladenkünstlerin und Schauspielerin) ein altes Thema zu beleben, das gar nicht so tot zu sein scheint, wie man es für tot erklärt hat. Denn mit diesen Schokoladenportraits, die an Votivgaben von Heiligtümern, (-die in dieser Funktion aus Gold, Silber, Alabaster, Edelhölzern, Elfenbein oder anderen Edelsteinen angefertigt werden-), erinnern, scheint die Verbindung zu alten Ritualen der Menschheitsgeschichte aktiviert zu werden. Mit dem Unterschied dass die Votivgaben der dargestellten Portraits aus essbarer Schokolade angefertigt sind und als Produkt-Werke der Schoko-l´art bezeichnet werden könnten. Mit den Assoziationen, die sie aber hervorrufen und auslösen, können diese ohne weiteres ihren Platz im Feld des rituellen oder magischen Kannibalismus behaupten. Denn mit diesen nachgebildeten Portraits wird eine Realpräsenz der dargestellten Personen imaginiert, weil sie auf das Körperbild der Abgebildeten zurückgreift. So werden die Abgebildeten selbst zu heiligen Ikonen und damit wird einerseits der Kult der Verehrung, andererseits aber auch der Diskurs des Begehrens des Subjekts der Sprache tangiert. Ein Begehren, das durch den Magen gehen soll. Und wegen ihrer Schokoladen-Seite schreien die hier Abgebildeten geradezu, gegessen zu werden.

In dem rituellen oder symbolischen Kannibalismus als Anthropophagie wurden bestimmte Körperteile des gefürchteten und bewunderten Feindes gespeist in dem infantilen Glauben (Aberglaube), so seine Eigenschaften einverleiben zu können. Die Azteken opferten der Sonne das Herz der Feinde, damit sie jeden Tag erneut am Himmel erscheinen konnte. Einige andere verspeisten ihre Verstorbenen als Bestattungsritual, damit sie nicht wiederkehrten. Anthropophagie und Menschenopferung gehören zu den archaischen Ritualen der Menschheitsgeschichte. Die Opferung Isaaks markiert die Wende von der Menschenopferung zu der Tieropferung hin, wie auch in der griechischen Mythologie die Opferung Iphigenies. Ab dann treten Symbolhandlungen und totemistische Platzhalter an die Stelle der Toten und ihrer Körperteile. In Sizilien werden täglich die Brüste der heiligen Agatha (Märtyrerin, deren Brüste abgeschnitten wurden), verspeist. In allen Konditoreien werden diese aus Marzipan, Teig, Eis, Gelee mit kandierten Kirschen oder kleinen Erdbeeren angeboten. Im Herbst werden hierzulande die Weckmänner und die Nikoläuse, in der Weihnachtzeit die Weihnachtsmänner aus Teig verspeist. In der Karnevalszeit werden die Mohrenköpfe verköstigt. Aber auch in der Liturgie der westlichen oder östlichen christlichen Kirchen findet stets ein symbolisches und religiöses Ritual statt, das an den Kannibalismus erinnert. Denn auch dort verspeisen die Gläubigen den Körper Jesus und trinken sein Blut zur Vergebung ihrer Sünden und zu Erinnerung an den ewigen Bund. Freud spricht in seiner Abhandlung "Totem und Tabu" von dem Ur-Mythos der Entstehung der Religion und der Kultur. Und auch dort wird der grausame Ur-Vater von seinen Söhnen umgebracht und anschließend verspeist. Um ihre aber immerwährenden Schuldgefühle zu besänftigen, erfanden sie das Totemtier, das jährlich an seiner Stelle getötet wurde, um sein Andenken hoch zu halten. In diesen Beispielen stellt Freud eine Verbindung zwischen den wilden Völkern und der Neurotikern her. Nicht umsonst wurde in Mexiko der Tag der Toten (Dia de los Muertos), der mit allerlei aus Zucker angefertigten essbaren Skurrilitäten gefeiert wird, nach WIKIPEDIA von der UNESKO zum Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit ausgerufen. Mit ‚mündlich' ist die sprachliche Überlieferung gemeint, wie Theater, Musik und andere Bräuche. Das Wort mündlich aber bringt buchstäblich als Homophonie den Klang des Wortes ‚Mundes' ins Spiel. So wird auch mit dem Vorname ‚Sigmund' von Sigmund Freud der Sieg des Mundes, also der Sprache, assoziiert. Der Körper nun, das Reale nach Lacan, als einen der drei borromäischen Kreise des RSI (Reales-Symbolisches-Imaginäres) wird in den Vordergrund gestellt. Und auch das griechische Wort Gastronomie, übersetzt als das Gesetz des Bauches, betont mehr den Bauch, ebenfalls ein Teil des Realen des Körpers.

Im neuen Testament wird das Wort zu Fleisch. Deswegen wird auch Jesus gegessen. Die von der römisch-katholischen Richtung beeinflussten Kirchen gründen ihre Exegese des rituellen und symbolischen Kannibalismus auf die Transsubstantiation, also die Macht der Wandlung. Die östlichen Kirchen hingegen gehen von einer Realpräsenz der Gaben aus, die durch die Epiklese des Priesters diese Bedeutung erhalten. So müssen die Begriffe real und Wandlung in der Sprache als mythische Gaben herhalten. Wandlung deutet eher auf eine symbolische Tat, während die Realpräsenz sich mehr als ein unmittelbares Residuum des Realen an sich in den Vordergrund stellt. Aber egal ob Wandlung oder Realpräsenz, in der Realität soll etwas einverleibt und inkorporiert werden. Die dazu gehörenden Organe des Körpers werden in Mitleidenschaft gezogen. wie der Mund, der Schlund, der Bauch u.a. Geht auch die Liebe, in dem Reich der geflügelten Wörter, deswegen durch den Bauch? Körper wird vom Körper aufgenommen und wird wieder zum Körper. Nicht umsonst hat Lacan eines von seinen Seminaren auch "Encore" genannt. Denn Im Französischen hat das Wort etymologisch den Status eines Attributs. In der Homophonie jedoch, also auf der Ebene des Klangs assoziiert man mit encore die Homophonie en corps, in den Körper oder zum Körper.

Ist es das, was uns die Schokoladenkünstlerin Versa Dogic mit ihren aus dunkler und heller Schokolade angefertigten Portraits, sagen will? ".

Iss mich, sagt Nietzsche.
Iss mich sagt, Simone de Beauvoir.
Ich bin aus Schokolade und Zucker und schmecken werde ich Dir. Iss mich auf und ich verspreche Dir, dass Du mir gleichen wirst, wenn Du dich nur wahrhaftig mit mir und meinem Werk identifizierst. Und selbst wenn nicht eine Gleichstellung garantiert wird, denn der orale Akt hat bis jetzt keine Klonarbeit bewerkstelligt, - mit der Ausnahme in den infantilen Geburtsphantasien der Kinder- , wird dennoch ein Versprechen initiiert, das das Begehren des Subjekts subsituiert und infiziert.
Wenn man mit Lacan argumentieren würde, könnte man auch sagen, dass diese Portraits den Platz des Objekts a als die Ursache des Begehrens übernehmen. Die Bilder der Bewunderten und Verehrten (Ikonen, Images), die sich in das kollektive Gedächtnis eingraviert haben, werden als Allgemein-Gut kolportiert. Das Gut und die Güter werden zu bemerkenswerten Werten. So konstituiert sich das Objekt a aus Zucker als ein orales Objekt und situiert sich auf der unmittelbaren Ebene der Oralität als eine Erfahrungsdimension des menschlichen Begehrens im Realen.

Können diese Portraits damit auch als psychologische Manifeste (Images) von Identifikationsfiguren herhalten? Greift man auf die rituellen Votivgaben von bewunderten Vorbildern zurück, um sich in dem Symbolischen die Spur der Identifikation zu aktivieren, wenn alle anderen lebenden Figuren bis dahin entweder versagt oder diese es gar nicht gegeben hat? Oder sucht das Subjekt der Sprache seine Identifikationsfiguren nur nach der Struktur seines eigenen Begehrens auf? Und das Begehren sucht nur nach dem Objekt a und ignoriert die gängigen Kategorien einer vorgegeben Nachahmung. Nach den zehn Geboten muss man Vater und Mutter ehren, aber nicht unbedingt auch gleichen oder denen es gleichtun. Denn wem man gleicht oder mit wem man sich vergleicht wird nur von der Ursache des Begehrens bestimmt.
Nicht umsonst gibt es eventuell auch in dem Repertoire der geflügelten Wörter den Ausdruck: "Ich habe dich zum fressen gerne".

In der Offenbarung wird das Buch gegessen, als der geschriebene Logos.
"Und ich ging zu dem Engel und bat ihn, mir das kleine Buch zu geben. Er sagte zu mir: Nimm und iss es! In deinem Magen wird es bitter sein, in deinem Munde aber süß wie Honig. Da nahm ich das kleine Buch aus der Hand des Engels und aß es. In meinem Munde war es süß wie Honig. Als ich es aber gegessen hatte, wurde mein Magen bitter... Und mir wurde gesagt: Du musst noch einmal weissagen über viele Völker und Nationen mit ihren Sprachen und Königen" (Bibel. Offb. 9-11)
Aber so wie die nackten Buchstaben aus Mehl in der Buchstabensuppe keine Alphabetisierung garantieren, kann auch die Verspeisung dieser Votivgaben aus Schokolade keine unmittelbare Glückserfüllung bringen. Deswegen wird immer wieder auf die Symbolik hingewiesen und deren Tradition auf dem Feld der Oralität.
Iss mich und selbst wenn es im Munde süß, im Magen jedoch bitter sein wird, sind dennoch die selbst ausgesuchten Ikonen als Identifikationsvorbilder immer noch hoffnungs- und sinnspendender als das Nichts und die Leere.
Ist das die Lehre dieser Schokoladen-Gaben, die sich keinem Bilderverbot und auch nicht dem Ikonoklasmus unterwerfen?

Literatur
• Die Bibel. Paul Pattloch Verlag, 1980
• Lacan J.: "Encore", Sem. XX, Quadriga, 1991
• Freud S.: "Totem und Tabu", Ges. Werke IX, S. Fischer, 1968
• WIKIPEDIA. Mexico Totenkult